Der letzte große Wilderer im Odenwald
Der 1864 geborene „Karrenmichel“ bzw. auch „Karrenfranz“ genannt, hieß mit bürgerlichem Namen Michael Schmitt und war der Sohn der zweiten Frau von Franz Schmitt aus Reinhardsachsen. Schon als kleiner Junge musste er seinem Stiefvater nach der Schule bei der Arbeit als Köhler, der sein Handwerk in den Wäldern Richtung Glashofen, Neusaß und Geisenhof betrieb, helfen. Dabei musste er das meterlange Buchenholz oft mit der Schubkarre zur Köhlerplatte schieben und beim Bau des Köhlerhaufens mitarbeiten, welcher, nachdem er angezündet worden war, Tag und Nacht behütet wurde, damit es nicht zum offenen Brand kam.
Durch den ständigen Gebrauch der Schubkarre beim zum Holzzusammenfahren und zum Transport der fertigen Holzkohle, erhielt Michel den Spitznamen Karrenfranz, wobei er in seinem Heimatort Reinhardsachsen immer Karrenmichel genannt wurde.
Zum eigenen Schutz vor Räubern hatten Franz und Michel im Wald stets eine Flinte in Form eines Vorderladers dabei, welcher vor Gebrauch erst im Lauf gestopft und am Drücker mit einen Zündtütchen versehen werden musste.
Holzkohle wurde damals in jedem Haushalt zur Erwärmung der Bügeleisen benötigt, sowie auch bei anderen Warmhaltegeräten und im Arzneimittelbereich. Mit der Einführung der Elektrizität ging die Nachfrage ständig zurück und der ohnehin schon schmale Verdienst wurde für Karrenmichel immer weniger. So kam er, der schon früh den Umgang mit der Flinte von seinem Stiefvater gelernt hatte, zur Wilderei. Die Wilderei war von da an seine Leidenschaft und brachte ihm etwas Geld beim Verkauf des Wildes an die umliegenden Wirtshäuser und Holzkohlekunden, denen der Wilddiebstahl bekannt war.
In seinem Bekanntenkreis war Karrenmichel dennoch beliebt und half auch den Armen, Betrogenen und in Notgeratenen: So drohte er manchem Betrüger brieflich an, wenn er den Betrug nicht wieder in Ordnung bringe, bekomme er es mit dem Karrenmichel zu tun!
Jahrelang jagte er illegal im Odenwald und Spessart und hielt die Forstbehörden und Polizei zum Narren. Dabei versteckte er sich ständig an anderen Orten wie z.B. bei Bauern, Bekannten, im Wald oder in Höhlen.
Oftmals blieb er unerkannt. Einmal hat er sogar im Wirtshaus im Spessart mit den Polizisten Karten gespielt und sich erst am Ende, auf der Flucht aus dem offenen Fenster, zu erkennen gegeben.
Um 1900 wurde er gefasst und landete für 17 Jahre im Gefängnis. Dort erlernte er das Korbmacherhandwerk, mit welchem er nach seiner Entlassung sein Lebenseinkommen bestritt.
Von seinem neuen Verdienst kaufte Michel für 200 Goldmark von der Gemeinde Reinhardsachsen ein kleines Häuschen und wohnte dort bis zu seinem Tod am 1. Oktober 1926.
Im Totenbuch von Reinhardsachsen steht unter anderem zu lesen: Michael Schmitt, der gefürchtete Karrenfranz, Räuberhauptmann und Wildereranführer, innerlich doch gut, verstarb heute im Alter von 62 Jahren.
Er wurde auf dem Friedhof in Reinhardsachsen begraben. Da er keine Nachkommen hatte, ist sein Grab nicht mehr erhalten.